18.6.2021 – Eine Verbraucherschützerin, ein Politiker und zwei Vertreter der Versicherungsbranche diskutierten auf einem virtuellen Kongress leidenschaftlich über die Entwicklung der staatlich geförderten Altersvorsorge. Welche Zukunft diese hat, ist aber mehr als ungewiss.
Fraglich ist, ob die Riester-Rente in der künftigen Regierung noch eine Lobby haben wird. Sollte das Bündniss90/Die Grünen Koalitionspartner der neuen Regierung werden, dürfte die Riester-Rente wohl endgültig gestoppt werden.
Das machte Markus Kurth, Mitglied des Bundestages und aktuell Sprecher für Rentenpolitik bei den Grünen, am Donnerstag in einer virtuellen Diskussion auf dem Kongress „Finanzdienstleistungen in Krisenzeiten“ deutlich. Veranstalter war das Institut für Finanzdienstleistungen e.V. (IFF).
Schwerpunkt könnte sich zur betrieblichen Altersversorgung verlagern
Markus Kurth (Bild: Stefan Kaminski)
Laut Kurth „fremdeln“ mit der Riester-Rente nicht nur die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) und die Grünen, sondern auch die Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU). Das hätten Diskussionen in Regierungsausschüssen gezeigt.
Das sei der Grund, warum die Politik bei der zusätzlichen Altersvorsorge eine Schwerpunktverlagerung in Richtung Betriebsrente vorgenommen hat. Riester habe sich als ergänzender sicherer Vermögensaufbau für die gesetzliche Rente nicht bewährt.
Der Sozialschutz sei nicht in den Keller geredet worden, sondern hätte die im Gesetz verankerte Leistung, vier Prozent Rendite bei höchsten zehn Prozent Kostenbelastung, nicht erbracht.
Beim Neubeginn einer staatlichen Altersvorsorge kann man laut Kurth aber auf keinen Fall die Kapitalmarktentwicklung in die Zukunft fortschreiben. Es gäbe ganz neue Risikostrukturen am Markt.
Staatliche Fonds für zusätzliche Altersvorsorge
Ein Vorsorgeprodukt, das nicht eine vollkommene Garantie bietet, ist nach Meinung von Kurth nicht staatlich förderfähig. Einen Bürgerfonds, der nur über Aktien bespart wird, lehnt der Rentenexperte daher ab.
Er rechnet damit, dass Menschen privat vorsorgen wollen, viele es aber tatsächlich nicht können. Daher sollte ein „öffentlich-rechtliches Vorsorgevehikel“ geschaffen werden, dass einfach in der Verwaltung und kostengünstig sei. Fonds in Dänemark und den Niederlanden zeigten, dass dies möglich ist.
Zudem glaubt der Politiker, dass das negative Image der Riester-Rente niemals wieder weggehen wird. Das habe das Vorhaben Hartz IV bewiesen. Auch dieser Name sei auf ewig negativ belastet.
Riester schafft 2,5 Prozent Rendite
Manfred Bauer (Bild: MLP)
Laut Manfred Bauer, Mitglied des Vorstands der MLP SE, ist die Riester-Rente in der Realität gar nicht so schlecht. Eine aktuelle Studie, bei der 59.000 reale Riesterverträge untersucht wurden, habe ermittelt, dass nach Kosten und Steuern die Rendite von Riester-Policen im Schnitt bei 2,5 Prozent liegen würde.
Nach Meinung von Bauer hat die Riester-Rente angesichts der Zinsentwicklung derzeit eine „unfassbar“ teure Garantie. Dabei wäre das Produkt ganz leicht reformierbar. „Das ist aber schlichtweg aus der Politik boykottiert worden“, so Bauer.
Zudem sei das Produkt von Verbraucherschützer seit Jahren schlecht geredet worden. „Da ist es kein Wunder, dass es bei den Menschen nicht mehr ankommt.“
Laut Bauer ist eine Kostenstudie der Bürgerbewegung Finanzwende e.V. (VersicherungsJournal 4.12.2020) falsch. Dabei sei es sehr einfach, Kosten aufzuzeigen. So würde mit Reduction in Yield ein anerkanntest Instrument bestehen, um die Renditeminderung auszurechen.
Lösungen nicht umgesetzt
Peter Schwark (Archivbild: Lier)
Ähnlich argumentierte Dr. Peter Schwark vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV). Die Berechnung der Finanzwende sei Teil einer politischen Kampagne gegen die Riester-Rente ist. Das sei nicht glaubwürdig.
Konstruktive Kritik von Seiten der Versicherungsbranche würde die Verbraucherschutzseite nicht zur Kenntnis nehmen. In den letzten acht Jahren habe sich bei der Riester-Rente nichts getan.
Schwark: „Dabei haben wir mit dem Bundesfinanzministerium und den Verbraucherzentralen Lösungen erarbeitet.“ Dass nun nichts mehr umgesetzt worden wäre, habe politische Gründe. Der Bundesfinanzminister, der nun Kanzlerkandidat sei, lehne die Riester-Rente ab. Demgegenüber habe sich die Freie Demokratische Partei e.V. (FDP) vorgenommen, die Riester-Rente zu reformieren.
Ein solches Signal hofft Schwark auch im noch ausstehenden Wahlprogramm der Union zu lesen. „Damit haben wir zwei gewichtige politische Kräfte, von denen die Branche etwas erwarten kann“, argumentierte Schwark. Verbraucherschützerin Britta Langenberg von der Finanzwende warf der Branche vor, bisher kein günstiges Standardprodukt vorgestellt zu haben.
Riester besser umbenennen
Laut GDV-Mann Schwark ist dies derzeit nicht möglich. „Wir brauchen erst die Gewissheit, des es weitergeht und die Bürokratie bei der Riester-Förderung abgebaut wird“. Einen wie immer gearteten staatlichen Fonds lehnt der GDV-Lobbyist ab. „Die Lösungen, die auf dem Tisch liegen, müssen mit 20 bis 30 Milliarden Euro Schulden finanziert werden“, behauptete Schwark.
Wenn die öffentliche Hand viel Geld in die Hand nehmen möchte, sollte sie besser die Beamtenvorsorge ausfinanzieren. Schwark ist überzeugt, dass man Riester weiterentwickeln kann, wenn nicht erfolgreiche Bereiche ausgemerzt werden. Dann würden die Menschen wieder Vertrauen zur staatlich geförderten Altersvorsorge fassen.
Ganz sicher ist der GDV-Rentenexperte seiner Sache aber an dieser Stelle nicht. Daher wäre er einverstanden, wenn man den Namen der Riester-Rente ändern würde.