Vielleicht sollten sich Kanzler Olaf Scholz, Vizekanzler Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner mal ein Video der Bundeszentrale für politische Bildung über das Wesen von Oligarchen anschauen. Das Filmchen, in dem eine Wissenschaftlerin eindrucksvoll unter anderem den Einfluss und die Putintreue russischer Milliardäre schildert, dauert nur drei Minuten und 38 Sekunden. Und dann könnte Lindner seinen beiden Kabinettskollegen ja mal etwas über Geldwäsche-Verdachtsmeldungen in den vergangenen Jahren in Deutschland erzählen.
Da war einiges dabei über Alischer Usmanow, einen Oligarchen, der vor allem Stahl- und Medienunternehmen beherrscht. Der vielmalige Milliardär gilt als Gefolgsmann und Unterstützer des Kriegstreibers Wladimir Putin, weshalb ihn die EU sanktioniert hat. Usmanow hat mit seinem russischen Vermögen ein Luxusleben in London und am Tegernsee geführt. Das Geld dafür ist teils über Gesellschaften auf den Britischen Jungferninseln in der Karibik geflossen, einem Steuerparadies mit Zehntausenden Briefkastenfirmen.
Das hat die Düsseldorfer Bank HSBC Trinkaus & Burkhardt als recht merkwürdig empfunden. HSBC reichte ebenso wie andere Banken reihenweise Geldwäsche-Verdachtsmeldungen bei der Financial Intelligence Unit (FIU) ein, der zuständigen Behörde in Köln, die dem Bundesfinanzministerium untersteht. Herausgekommen ist dabei nichts. Keine Ermittlungen, keine Anklage, und erst recht kein Prozess; nichts dergleichen. Solch ein System hat nichts mit Aufklärung zu tun, und intelligent ist das schon gleich gar nicht. Sondern nur aberwitzig, dämlich und grotesk. Da kann man sich die Verdachtsmeldungen gleich sparen.
Das bestehende System ist wie geschaffen für zweifelhafte Geschäftsleute oder gar Kriminelle, und für Banken, die jedes Geschäft mitnehmen wollen. Staatsanwaltschaften brauchen einen halbwegs konkreten Ansatz, um ermitteln zu können. Der findet sich aber nicht, wenn etwa ein Oligarch sein Vermögen um die halbe Welt schickt, bis die Spuren des Geldes verwischt sind. Warum also nicht einfach die Beweislast umkehren: Die Regierungen von Bund und Ländern hätten längst beschließen können, dass fragwürdige Firmen und zweifelhafte Geschäftsleute im Detail nachweisen müssen, woher ihr Vermögen stammt.
Mit den aktuellen Geldwäscheregeln gehen dem Staat vor allem die kleinen Fische ins Netz
Auch wenn das nur ein Lösungsansatz und kein Allheilmittel wäre; und auch wenn sich Konzerne, die in Diktaturen zu Hause sind, dort alle möglichen Gefälligkeitsbescheinigungen beschaffen könnten: Es wäre immerhin ein Anfang. Manche Bank würde sich überlegen, ob sie es bei bestimmten Kunden darauf ankommen lässt oder lieber gleich auf solche Kunden verzichtet. So aber können kleine wie große Geldinstitute einen folgenlosen Verdacht nach dem anderen melden und sich so bequem aus der Verantwortung stehlen.
Wohin eine Beweislastumkehr bei Usmanow führen würde, ist offen. Der Oligarch beteuert, er habe sein Vermögen legal erworben und sich nichts zuschulden kommen lassen. Und er sei auch kein Unterstützer von Putin und dessen Überfall auf die Ukraine. Usmanow klagt gegen die EU-Sanktionen. Auch für ihn gilt bis zum Beweis des Gegenteils die Unschuldsvermutung. Das unterscheidet einen demokratischen Rechtsstaat von Putins Regime und anderen Diktaturen. Aber es wäre keine Zumutung für jemanden wie Usmanow, seine Geldströme und die Herkunft seines Vermögens bis ins Detail offenzulegen.
Aber so wie das jetzt läuft, gehen mit den deutschen Geldwäscheregeln vor allem die eher kleinen Fische ins Netz. Etwa jene, die zu Unrecht staatliche Corona-Hilfen kassieren. Oder die, die private Corona-Teststationen betreiben und Schnelltests abrechnen, die es gar nicht gegeben hat, um auf Kosten des Staats schnell reich zu werden. Natürlich ist es richtig und wichtig, dass der Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität auf dieser Ebene zu Erfolgen führt.
Dabei darf es aber nicht bleiben. Sonst würde Deutschland weiter versagen beim Kampf gegen die Geldwäsche in großem Stil. Sonst könnten zweifelhafte Geschäftemacher weiter unbehelligt agieren. Und die Bundeszentrale für politische Bildung klärt derweil darüber auf, was so alles schiefläuft in der Welt – mit deutscher Hilfe.