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Erstellt: 09.01.2023, 04:53 Uhr

Von: Erkan Pehlivan

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Deutschland verbietet immer mehr Deutschen die AusreiseBundesinnenministerin Nancy Faeser und ihr türkischer Amtskollege Süleyman Soylu. © Anne Pollmann/dpa

Die Bundespolizei untersagt einer steigenden Zahl von Staatsbürger:innen die Ausreise aus Deutschland. Dahinter sehen Experten vor allem ein Eingeständnis an die Türkei.

Berlin – Immer mehr Deutsche dürfen Deutschland nicht verlassen. Laut einer kleinen Anfrage der Bundestagsabgeordneten Gökay Akbulut und ihrer Fraktion, Die Linke, hat die Bundespolizei zwischen 2018 und 2022 insgesamt 131 deutschen Staatsbürger:innen die Ausreise verweigert.

Waren es im Jahr 2018 nur drei Personen, denen die Ausreise untersagt worden war, stieg ihre Zahl im Jahr 2022 auf einen Höchstwert von 66.

Deutschland verbiet Staatsbügern die Ausreise – die Statistik von 2018 bis 2022

2018 3
2019 15
2020 33
2021 14
2022 66

Als Grundlage für Verbote von Auslandsreisen durch die Bundespolizei dient laut der Antwort des Bundesinnenministeriums auf die parlamentarische Frage das Abgleichen „personenbezogener Daten mit nationalen, europäischen und internationalen Datenbanken nach Maßgabe der Verordnung (EU) 2016/399 (Schengener Grenzkodex) im Rahmen ihrer grenzpolizeilichen Aufgabenwahrnehmung“. Zu den Daten, die dabei herangezogen werden, gehören demnach „das Informationssystem der Polizei, die zur Grenzfahndung geführte Datei, das Schengener Informationssystem und die Stolen and Lost Travel Documents database von Interpol“. Laut dem Bundesinnenministerium hat die Bundespolizei zudem „nach den Umständen des Einzelfalls und nach Maßgabe des geltenden Rechts Zugriff auf die Antiterrordatei und die Rechtsextremismusdatei.

Länder verweigern auch Auslandsreisen von Deutschen

Auch auf Landesebene wird Deutschen die Ausreise aus dem eigenen Land verweigert – so geschehen im Fall der 18-jährigen Solin G. Die Stadt Oberhausen hat der kurdischstämmigen deutschen Staatsbürgerin ihren Reisepass entzogen. In der sogenannten Ordnungsverfügung hat die Stadt ihr zudem die Ausstellung eines Personalausweises und eines Reisepasses untersagt, auch wenn diese nur als „vorläufige“ Dokumente beantragt würden. In der Begründung heißt es, es gäbe bei der Teenagerin eine Zugehörigkeit zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK.

„Ihrem persönlichen Recht auf Ausreisefreiheit (…) steht das Interesse der Bundesrepublik Deutschland an seiner inneren und äußeren Sicherheit sowie das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland gegenüber“, heißt es weiter in der Begründung zu dem Passentzug und dem Ausreiseverbot für Solin G. Die Stadt Oberhausen gehe von einem hinreichend anzunehmenden Vorhaben aus „sich an Kampfhandlungen der PKK zu beteiligen“.

Möglicher Besuch von PKK-Jugendcamps in Istanbul

Solin G. soll dieses Jahr bereits zwei Mal nach Istanbul gereist sein, so die Stadt Oberhausen. Daher werde vermutet, dass sie „dort Jugendcamps der PKK besucht und sich mit den dortigen Strukturen der PKK vernetzt“ habe. In den Vorwürfen gegen die kurdischstämmige Frau sieht die Bundestagsabgeordneten Gökay Akbulut (Linke) wiederum vorauseilendem Gehorsam gegenüber dem Regime von Präsident Recep Tayyip Erdogan in Ankara. „Es ist für mich erschreckend zu sehen, wie schnell manchmal Grundrechte eingeschränkt werden, wenn es um Menschen geht, die sich für die Rechte von Kurdinnen und Kurden einsetzen. Oftmals habe ich leider den Eindruck, dass die Bundesregierung vor dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan kuscht“, sagte Akbulut der Frankfurter Rundschau von IPPEN.MEDIA.

Im Jahr 2017 setzte Recep Tayyip Erdogan mithilfe eines Referendums eine Verfassungsänderung durch, bei der es vor allem um die Bündelung der Exekutivbefugnisse ging. Dadurch gewann der türkische Präsident noch mehr Einfluss auf die Justiz. Die Opposition sprach von Wahlbetrug. Auch Untersuchungen von Forschenden legen nahe, dass das Referendum manipuliert wurde.Fotostrecke ansehen

Enge Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Türkei

Deutschland und der Türkei haben ihre Kooperation auf Justiz- und Sicherheitsebene in den vergangenen Jahren deutlich ausgebaut. Erst im November besuchte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ihren türkischen Amtskollegen Süleyman Soylu. Dabei wurde neben der Flüchtlingssituation vor allem über Sicherheitsthemen gesprochen. Zwischen dem vergangenen 5. und 7. Juli war Generalbundesanwalt Peter Frank für drei Tage in die Türkei gereist und hatte dort neben dem obersten türkischen Staatsanwalt Bekir Sahin auch Justizminister Bekir Bozdag und Präsident Recep Tayyip Erdogan persönlich getroffen. Thema der Gespräche waren laut Bundesregierung die „Aufgaben und die Arbeit der Strafjustiz“. Konkrete Details wurden aber nicht bekannt gegeben.

Argumentationslinien der AKP-Regierung übernommen

Der Fall von Solin G. löst bei dem Türkeikenner Kerem Schamberger Kopfschütteln aus. „Mit dem Passentzug wird einer kurdischen Aktivistin das Recht auf Reisefreiheit untersagt“, so Schamberger im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau von IPPEN.Media. Verärgert zeigt sich der Kommunikationswissenschaftler wegen der Begründung für die Maßnahmen gegen Solin G.

„Hier werden Argumentationslinien der türkischen Regierung übernommen. Und damit werden dann auch in Deutschland kurdische Erdogan-Kritiker in ihrer Reisefreiheit massiv eingeschränkt“. Über die Annahme der Stadt Oberhausen, die Betroffene können bei einer Einreise in die Türkei auch Jugendcamps der PKK in Istanbul besuchen, schmunzelt Schamberger. Dazu müsse Oberhausen erst einmal benennen können, wo in der türkischen Millionenmetropole sich solche Lager denn befinden würden. (Erkan Pehlivan)

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