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Erstellt: 07.06.2023Aktualisiert: 08.06.2023, 08:45 Uhr

Von: Andreas Schmid

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Deutschland als Migrationsentscheider beim Asyl-Gipfel: Faeser dringt auf KompromissNancy Faeser will eine gemeinsame Lösung. © Carsten Koall/dpa

Europa streitet einmal mehr über Migration. Nun soll eine Asylreform Fakten schaffen – doch noch ist unklar, ob es überhaupt dazu kommt. Alle Infos im News-Ticker.

  • Asylreform auf EU-Gipfel? Vieles hängt an Deutschland.
  • Streitpunkt in Vorgesprächen: Große Mehrheit gegen Grünen-Vorschlag.
  • Dieser News-Ticker zum EU-Innenministertreffen in Luxemburg wird laufend aktualisiert.

Update vom 8. Juni, 8.50 Uhr: Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat vor einer Schwächung des Schengen-Raums gewarnt, sollte das EU-Treffen zu einer Reform des europäischen Asylsystems an diesem Donnerstag scheitern. „Ich befürchte, wenn wir kein gemeinsames Asylsystem bekommen, dann fallen wir in die Nationalstaatlichkeit zurück“, sagte die SPD-Politikerin am Donnerstag im ARD-„Morgenmagazin“. Wahrscheinlich sei dann Schengen mit offenen Grenzen nicht mehr möglich. Für Deutschland stelle eine Einigung in der Asylfrage deshalb einen guten Kompromiss dar.

Bei dem Innenministertreffen in Luxemburg soll an diesem Donnerstag ein neuer Versuch unternommen werden, eine große Reform des europäischen Asylsystems auf den Weg zu bringen. Auf dem Tisch liegen Entwürfe für Gesetzestexte, die die derzeitige schwedische EU-Ratspräsidentschaft auf Basis von Vorschlägen der EU-Kommission erarbeitet hat. Sie sehen insbesondere einen rigideren Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive vor. Es geht unter anderem darum, ob es Vorprüfungen von Asylanträgen schon an den EU-Außengrenzen geben soll. Die Bundesregierung will durchsetzen, dass Minderjährige unter 18 und Familien mit Kindern von diesen Verfahren ausgenommen werden.

Auf die Frage, ob sie einem Kompromiss auch zustimmen werde, wenn Kinder nicht aus den Vorprüfungen rausgenommen würden, sagte Faeser: „Ich kann das jetzt noch nicht sehen. Ich werde bis zum Schluss für unsere Position kämpfen.“

EU-Gipfel will große Reform des europäischen Asylsystems auf den Weg bringen

Luxemburg – Wenn am Donnerstag (8. Juni) die Innenminister der Europäischen Union zusammenkommen, geht es um nichts weniger als die Asylreform. Ein Dauerstreitthema innerhalb der EU. „Jeder Mitgliedstaat macht, was er will“, sagte die SPD-Migrationspolitikerin Birgit Sippel einst unserer Redaktion. Uneins ist sich die EU vor allem bei der Zuständigkeit an den EU-Außengrenzen sowie in den Regeln zur Verteilung. Nun soll – mal wieder – vieles anders werden.

Asylreform auf EU-Gipfel? Vieles hängt an Deutschland

Auf dem Tisch liegen Entwürfe für Gesetzestexte, die die derzeitige schwedische EU-Ratspräsidentschaft auf Basis von Vorschlägen der EU-Kommission erarbeitet hat. Sie sehen insbesondere einen deutlich rigideren Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive vor. Zudem soll Solidarität mit besonders stark belasteten Mitgliedsstaaten an den EU-Außengrenzen künftig nicht mehr freiwillig, sondern verpflichtend sein.

Das bisherige Verteilersystem scheint gescheitert. Italien, ein Land, das prozentual gesehen mit die meisten Geflüchteten aufnimmt, kritisiert die aktuelle Lage regelmäßig. Der „Mechanismus der Solidarität“ funktioniere nicht, teilt das italienische Innenministerium auf Anfrage von IPPEN.MEDIA mit. Immerhin: Länder, die wie Ungarn keine Geflüchteten aufnehmen wollen, würden laut aktuellem EU-Plan zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden.

Ob sich bei dem Treffen in Luxemburg eine ausreichend große Mehrheit an Ländern hinter die Gesetzesvorschläge stellen wird, war bis Mittwochabend unklar. Wie die Deutsche Presse-Agentur berichtet, hängt offenbar viel an der Position der deutschen Bundesregierung. Diplomaten würden die Stimmen aus Berlin genau beobachten. Hierzulande gab es 2023 einen Anstieg der Asyl-Anträge. Wie das Bundesamt für Migration und Geflüchtete (Bamf) mitteilte, wurde in den ersten fünf Monaten für 125.556 Menschen erstmals ein Asylantrag gestellt. Das waren fast 77 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Die meisten Schutzsuchenden kamen aus Syrien, Afghanistan und der Türkei.

So läuft die Abstimmung zur Asylreform

Voraussetzung für einen Beschluss zu den Plänen ist, dass 15 von 27 Mitgliedstaaten mit Ja stimmen, wobei diese zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen müssen. Wenn sich keine ausreichend große Mehrheit abzeichnet, müssten die Verhandlungen noch einmal fortgesetzt werden.

Sollte der EU-Ministerrat bis zur Sommerpause keinen Beschluss fassen, dürfte es kaum noch eine Chance geben, das Reformprojekt in absehbarer Zeit über die Ziellinie zu bringen. Grund ist, dass es auch noch Verhandlungen mit dem Europaparlament darüber geben muss. Diese könnten Monate dauern – dann reicht möglicherweise die Zeit nicht mehr, das Projekt vor der Europawahl im Juni 2024 abzuschließen.

Streitpunkt in Vorgesprächen: Große Mehrheit gegen Grünen-Vorschlag

Die deutsche Regierung hatte auf Drängen der Grünen in den Vorgesprächen zu dem Innenministertreffen gefordert, dass Familien mit Kindern von neuen strengen Grenzverfahren ausgenommen werden. Eine sehr große Mehrheit der anderen Staaten lehnte dies allerdings vehement ab, weil sie durch eine solche Regelung den Abschreckungscharakter gefährdet sieht. Auch aus der FDP gab es kritische Stimmen dazu. Obendrein scheint auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) an den bisherigen EU-Plänen festhalten zu wollen – wenngleich vereinzelte SPD-Abgeordnete Kritik üben. Sie prangern in einem Brief an, dass die EU-Vorschläge „das Recht auf Asyl abschwächen könnten.“ Das Schreiben liegt dem Münchner Merkur vor.

Den größten Gegenwind erhalten derweil die Grünen – und zwar aus der eigenen Parteibasis. In einem Brief von 730 Mitgliedern, der unserer Redaktion vorliegt, kritisieren die Unterzeichner die „deutsche Verhandlungsposition“. Sie sei nicht vom Koalitionsvertrag gedeckt. In dem Schreiben beklagen die Unterzeichner unter anderem einen Kurs der „Abschreckung und Abschottung“ sowie Pläne zu einer „massiven Beschneidung des Asylrechts“.

Migrationsforscher in Deutschland kritisierten die Reformpläne. „Die große Reform wird die migrationspolitische Krise noch vertiefen und Europa spalten“, sagte Bernd Kasparek vom Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung. Ob die Reform aber überhaupt kommt, ist ungewiss. (as/dpa)

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