Analyse vom China-Versteher: Chinas Kohle-Irrsinn macht Habecks Energiepolitik überflüssig
Die Bundesregierung versucht, fossile Brennstoffe hinter sich zu lassen, um die deutsche Öko-Bilanz zu verbessern. Doch Chinas Kohlewahn macht die Klimabemühungen der Bundesregierung obsolet.
Deutschlands Anteil am globalen CO2-Auststoß liegt bei zwei Prozent. Die Politik versucht, weg von fossilen Brennstoffen zu kommen, um die Öko-Bilanz Deutschlands zu verbessern. Stichwort: Energiewende.
Doch dieses noble Ziel wird konterkariert, wenn große Verschmutzer wie die Volksrepublik China nicht nur an Kohle festhalten, sondern ihren Abbau auch noch ausweiten. Derzeit befinden sich im Reich der Mitte 368 neue Anlagen in Planung.
China ist größter Kohle-Förderer der Welt
Rund sechzig Prozent ihres Energiebedarfs deckt die Volksrepublik mit Kohle ab, Tendenz steigend. Nach einer Studie des Center for Research on Energy and Clean Air liegt die Leistung der bestehenden Kohlekraftwerke bei mehr als 1000 Gigawatt.
In China gibt es sogar Pläne, die Leistung auf 1300 Gigawatt auszubauen. Das macht das Land zum größten Kohle-Förderer der Welt.
Schon seit 2018 werden in der Volksrepublik so viele Kraftwerke gebaut, wie überall auf der Welt zusammen. Sie sind nicht nur für die Energieversorgung da, sondern werden zum Mittelpunkt wirtschaftlicher Zentren und nahe gelegener urbaner Räume.
Deutsche Anstrengungen macht Peking durch Kohlekraftwerke irrelevant
Angesichts dieses Befunds erscheint das, was ein Land wie Deutschland tun kann, um der Klimakatastrophe zu entgehen, marginal. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will die Energiewende vorantreiben.
Er glaubt, dass die Augen der Welt auf Deutschland gerichtet sind: Sollte es uns nicht gelingen, das Ruder herumzureißen, so sein Argument, dann schafft es niemand. Dabei mag sich der Politiker auf deutschen Erfindergeist und Ingenieurskunst beziehen.
Von praktischer Relevanz für das Weltklima sind deutsche Anstrengungen nicht, sollte Peking weiter auf Kohlekraftwerke setzen. Die Volksrepublik exportiert ihre Technologie zur Kohleförderung und ist zudem weltweit führend bei Investitionen in Kohlekraft-Infrastruktur.
Durch Chinas Investitionen könnte Temperatur um 2,7 Grad steigen
Durch die großangelegte Belt&Road Initiative hat China rund um den Globus hunderte Kohlekraftwerke geplant und teilweise schon gebaut. Mehr als 60 Prozent der Belt&Road-Investitionen in den Energiesektor gingen in nicht-erneuerbare Energien.
Als Folge sind die Treibhausgas-Emissionen in zwölf Belt&Road-Ländern extrem gestiegen. Im Jahr 2019 berechneten Wissenschaftler, dass die Temperatur durch Chinas Investitionen um 2,7 Grad stiegen könnte.
Das liegt weit über der 1,5 Grad-Grenze, die nicht zu überschreiten sich auch die Volksrepublik im Pariser Klimaabkommen verpflichtet hat. Innerhalb Chinas werden die Kraftwerke aber gebraucht, um die Wirtschaft anzukurbeln, die sich noch nicht wirklich von der Corona-Pandemie erholt hat.
Mit Kohlekraftwerken wird Chinas Wirtschaft angekurbelt
Denn die vielen Anlagen sorgen für einen niedrigen Strompreis. Wirtschaftliches Wachstum gerät allerdings schnell in Konflikt mit konkreten Klimaschutz-Zielen, die derzeit von Peking hinten angestellt werden.
Der Ausblick ist erschreckend: Ginge der Ausbau der Kohlekraftwerke in China ungebremst weiter, wäre die Volksrepublik Berechnungen der Boston Consulting Group zufolge 2060 noch nicht klimaneutral.
Und das, obwohl das Land auch erneuerbare Energien ausbaut. Das Ziel, bis 2030 den Gipfel des CO2-Ausstoßes erreicht zu haben, ist vor dem Hintergrund der aktuellen Kohlepolitik Chinas ebenfalls utopisch.
Xi muss Klimaschutz betreiben um sich an der Spitze zu halten
Dass das Klima im Zweifel hinten ansteht, erklärt sich politisch: Die Kommunistische Partei Chinas, die das Land diktatorisch führt, bezieht die Legitimation zur Herrschaft daraus, dass sie die Chinesen aus der Armut befreit und ihnen ein Leben in Wohlstand verschafft.
In der Pandemie haben die Menschen sowohl Wohlstandseinbußen als auch Freiheitsverluste hinnehmen müssen, was zu den größten Protesten im Land seit der Demokratiebewegung im Jahr 1989 geführt hatte.
Der Stabilität der eigenen Herrschaft wird die Kommunistische Partei unter ihrem Führer Xi Jinping immer den Vorrang geben. Von daher ist die Nomenklatura in Peking bereit, jetzt viel Geld in Kraftwerke und Förderung zu versenken.
Am Ende hat aber auch Xi verstanden, dass er die Chinesen, die seit einigen Jahren von Dürrewellen und Flutkatastrophen heimgesucht werden, vor den Auswirkungen es Klimawandels schützen muss, um das Volk weiter unter seiner Knute zu halten.
Über den Gastautor
Alexander Görlach ist Honorarprofessor für Ethik an der Leuphana Universität in Lüneburg und Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs in New York. Nach einem Aufenthalt in Taiwan und Hongkong hat er sich auf den Aufstieg Chinas konzentriert und was dieser für die Demokratien in Ostasien im Besonderen bedeutet. Von 2009 bis 2015 war Alexander Görlach zudem der Herausgeber und Chefredakteur des von ihm gegründeten Debatten-Magazins The European. Heute ist er Kolumnist und Autor für verschiedene Medien. Er lebt in New York und Berlin.