Imageschaden für Deutschland
Baerbocks Flieger-Panne: „Regierung ist Opfer der eigenen political correctness“
Gestern, 15.08.2023 | 21:21
Die Pannenserie um die Flugbereitschaft der Bundesregierung reißt nicht ab. Zweimal innerhalb von 24 Stunden versagte einen Airbus des Typs A340 den Dienst, als Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) versuchte, von Abu Dhabi auf ihrer langgeplanten Pazifikreise weiter nach Australien zu starten. Als Grund hatte die Flugbereitschaft beim zweiten Abreiseversuch angegeben, dass die Landeklappen nach dem Start erneut nicht mehr eingefahren werden konnten.
Die Flugbereitschaft wird von der Luftwaffe der Bundeswehr betrieben, ihre Mechaniker gelten als äußert erfahren. Bei der defekten Maschine handelt es sich zudem um einen Airbus der Lufthansa, die als eine der zuverlässigsten Flugzeuggessellschaften der Welt gilt.
Allerdings hat es Pannen schon öfter gegeben. Internationales Aufsehen erregte 2018 eine unfreiwillige Zwischenlandung der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Merkel war auf dem Weg nach Rio de Janeiro und musste nach dem Start in Berlin schon in Köln wegen eines ausgefallenen Funknetzes notlanden. Dadurch verpasste sie den Auftakt des G20-Gipfels in Rio de Janeiro.
Doch wie können solch peinliche Pannen, die ausgerechnet die Arbeit der hochrangigsten deutschen Politiker behindern und darüber hinaus womöglich noch ihre Sicherheit gefährden, überhaupt passieren?
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Doppelpanne wegen defekter Airbus-Landeklappen
Bei dem Merkel-Flug, der 2018 einen Lufthansa-Airbus des Typs A320 betraf, war eine „fehlerhafte Lötstelle“ an einem Transformator für die Panne verantwortlich, was zum Ausfall der Funkgeräte geführt hatte. Zwar hatte die damalige Bundesregierung nach der Panne sofort drei neue Airbusse des Nachfolgertyps A350 für insgesamt 1,2 Milliarden Euro geordert. Die Maschinen sind inzwischen ausgeliefert, doch nur zwei davon einsatzbereit.
Bei den beiden Pannen des Baerbock-Fliegers hingegen waren zweimal kurz hintereinander offenbar mechanische Teile betroffen, die das notwendige Einfahren der Landeklappen nach dem Start verhinderten. Das Problem: Mit ausgefahren Landeklappen hätte die Maschine weder die nötige Flughöhe noch die erforderliche Reisegeschwindigkeit für die lange Reise nach Australien erreichen können.
„Deutsche Politiker sind selbst Schuld an peinlicher Pannenserie“
Für den Flugexperten Stefan Hinners ist das Problem der A340-Regierungsflieger ganz klar ein „hausgemachtes“ – und zwar von der Politik selbst. „In anderen westlichen Staaten wie den USA ist es zum Beispiel selbstverständlich, dass Politiker, die die Geschicke des Landes leiten, nur mit dem besten Material reisen, das auf dem Markt ist. Das ist ganz normal, die Bürger sind sich einig, dass den Politikern das zusteht.
In Deutschland hingegen war das in den letzten Jahren nicht der Fall“, sagte Hinners gegenüber FOCUS online. „Bei uns wird die Politik mit ihrer Regierung in Sachen Flugbereitschaft Opfer ihrer eigenen ‘political correctness’. Die deutschen Politiker sind selbst Schuld an dieser peinlichen Pannenserie.“
Das erste Problem sei, dass die A340-Airbusse zum Zeitpunkt ihres Kaufes 2009 schon zehn Jahre lang im privaten Linienverkehr in Betrieb waren. „Es handelt sich also nicht um neue Maschinen, was die Vermeidung von technischen Problemen nicht einfacher macht“, so Hinners.
„Lange Stillstandsphasen tun Flugzeugen nicht gut“
Das zweite Problem, das allgemein bekannt sei, betreffe die langen Ruhephasen, die die Regierungsflieger am Boden verringen müssten. „ Flugzeugsysteme mit hochkomplexer Mechanik tun lange Stillstandsphasen am Boden nicht gut. Viele Probleme entstehen erst dadurch, wenn die Maschinen nicht regelmäßig bewegt werden. Solche Probleme treten im Linienverkehr, bei dem die Flugzeuge mehr in der Luft als auf dem Boden sind, nicht auf “, so der Flugexperte.
In der Praxis bedeute dies, dass die Airbusse auch ohne Bundespolitiker an Bord regelmäßig in die Luft müssten, um das einwandfreie technische Funktionieren zu gewährleisten. „Und auch das kommt in Deutschland nicht gut an, leere Regierungsflugzeuge durch die Luft fliegen zu lassen.“
„Bemerkenswerte Pannenzahl“ für deutsche Regierungsflieger
Das Ergebnis dieser „übervorsichtigen Politik“ sei eine „Vielzahl von Pannen“, die in der internationalen Regierungsluftfahrt ein „bemerkenswertes Phänomen“ darstellten. Vergleichbare Pannen anderer EU-Länder seien ihm jedenfalls nicht bekannt, sagte Hinners. „Das ist ja fast so, als wenn man mit einem Oldtimer, der schon 200.000 Kilometer auf dem Tacho hat, ein VIP-Taxiunternehmen gründen wollte – in der Hoffnung, dass alles immer perfekt funktioniert.“
Bundeswehr mustert Pannenflieger vorzeitig aus
Nach Pannen an der Regierungsmaschine mustert die Bundeswehr zwei Flugzeuge vorzeitig aus. Künftig sollen statt der Flieger vom Typ A340 nur noch neuere A350 für Langstrecken genutzt werden, wie ein Sprecher der Luftwaffe am Dienstag mitteilte. „Wir werden die beiden A340 so schnell wie möglich, das heißt in den kommenden Wochen vorzeitig außer Dienst stellen“, sagte er.
Baerbock musste ihre Reise in die Pazifik-Region wegen der Defekte unterwegs abbrechen und reiste per Linienflug nach Deutschland zurück.
Rückgabe von Kulturgütern an Australien muss warten
Baerbock war am Sonntag zu der einwöchigen Reise nach Australien, Neuseeland und in den Inselstaat Fidschi aufgebrochen. Sie hatte dort vor allem Gespräche zur Sicherheits- und Klimapolitik führen wollen. In Australien wollte sie zudem an einer Rückgabe von Kulturgütern an die indigene Gemeinschaft der Kaurna teilnehmen. Auch zuvor hatte es bei Reisen von Regierungsmitgliedern bereits technische Probleme mit der Maschinen der Flugbereitschaft gegeben, für Baerbock zuletzt im Mai wegen einer Reifenpanne.