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Der Kampfpanzer T-64 ist das Arbeitspferd der Ukraine – unter hohen Verlusten. Eine Idee, diese auszugleichen, kommt aus Deutschland.
Kiew – Das scheint aussichtslos zu sein: Die Ukraine verfügt über rund 2000 Kampfpanzer, und Russland kann ungefähr 11.000 Kampfpanzer mehr aufmarschieren lassen. Das Rückgrat beider Armeen, die bis März 1991 Waffenbrüder im Warschauer Pakt waren, bildet der Kampfpanzer T-64, der im Kalten Krieg entwickelt wurde. Das Magazin Forbes wirft die Frage auf, was passieren wird, wenn der Ukraine dieses Rückgrat bricht – aktuell, also rund eineinhalb Jahre nach der russischen Invasion durch die Truppen von Wladimir Putin, soll die Ukraine laut Forbes fast die Hälfte ihrer ursprünglich 800 einsatzbereiten T-64 verloren haben. 450 müssten noch in den Arsenalen stehen. Quelle ist die Analyse-Seite Oryx, die von holländischen Journalisten betrieben wird.
Forbes rechnet hoch, wenn nach 21 Monaten Krieg rund ein Drittel der ukrainischen Panzerwaffe vernichtet ist, würden die restlichen zwei Drittel nach weiteren 42 Monaten aufgerieben sein. Schlimmstenfalls müsste die Ukraine also 2027 die Waffen strecken. Mit ungefähr 300 Panzern haben verschiedene Nato-Staaten die Ukraine für ihre Gegenoffensive verstärkt – also bleibt die Frage, welches andere Großgerät die Lücken füllen soll. Zum Vergleich: Deutschland verfügt mit 320 Kampfpanzern verschiedener Leopard-Typen insgesamt über weit weniger Fahrzeuge, als die Ukraine sie bereits verloren hat. Allein die Masse machts. 600 bis 800 Panzer bräuchte die Ukraine für einen Sieg, sagt Armin Papperger. Gegenüber der Rheinischen Post hatte sich der Chef des Rüstungskonzerns Rheinmetall mit einer Lösungs-Idee aus der Deckung gewagt: einer Panzerfabrik, die er in der Ukraine bauen will.
Ukraine-Krieg zeigt: Panzer weiterhin wichtig
Jüngst hatte das ukrainische Verteidigungsministerium auf X (vormals Twitter) ein Video gezeigt, wie ein ukrainischer T-64-Kampfpanzer einen weitaus jüngeren russischen T-90 abschießt. Ungewöhnlich war das Duell deshalb, weil zwei Panzer russischer Produktion aus unterschiedlichen Baujahren aufeinander losgehen – Panzer des Typs 64 sind 1967 in Dienst gestellt worden, der Typ 90 ist 25 Jahre jünger. Für den deutschen Militärhistoriker Ralf Raths keine Überraschung: „Die Panzer, die in der Ukraine durch die Gegend rollen, sind nicht so verschieden, wie das ihre T-Nummern andeuten.“ Welches Baujahr auf welches treffe, sei seiner Meinung nach wenig gefechtsentscheidend. „Die Modelle, die da herumfahren, gehören alle zu einer Familie, mit nur kleinen Entwicklungsschritten zwischen den unterschiedlichen Nummern.“
Das Rückgrat der ukrainischen Panzerarmee – der Kampfpanzer T-64: Die hohen Verlustzahlen drängen zur Frage: Welches Fahrzeug kann ihn ersetzen? © Genya Savilov/AFP
Der Panzer ist das Alt-Eisen der Miltärgeschichte – das war die globale Militärdoktrin spätestens seit dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes 1991, eigentlich aber schon seit Einführung der Raketen-Technologie in den 50er-Jahren. Seit 1957 galt in der Nato die Strategie der „Massiven Vergeltung“: Die konventionell übermächtige Gegenseite müsste im Verteidigungsfall mit dem sofortigen und massiven Einsatz von Nuklearwaffen rechnen. Panzer waren überflüssig. Der Ukraine-Krieg hat die Welt eines Besseren belehrt, die Verluste beider Seiten allein an Kampfpanzern beweisen die Wiederauferstehung dieser totgesagten Waffe.
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„Aus dem Ukraine-Krieg kann man lernen, dass sich der Panzer in Form und Funktion mal wieder radikal verändern wird“, sagt Raths, der Direktor des Panzermuseums in Munster. Im aktuellen Konflikt ist die moderne Funktion des Panzers als „Duellpanzer“ gefordert, wie er erklärt: als Schwerpunktwaffe im Eins-gegen-Eins über mehrere Kilometer, um auch für die Infanterie Lücken in Befestigungen zu reißen.
Das macht den US-amerikanischen M1 Abrams wie sein deutsches Pendant, den Leopard, so wertvoll für die Ukraine, da sie ihren russischen Gegnern in vielen Disziplinen überlegen sind. Mit ihrem Arbeitspferd, dem T-64, hatte sich Russland damals erstmals entschieden, auf Technologie anstatt auf zahlenmäßige Überlegenheit zu setzen. Ein Beispiel dafür ist der erstmals verbaute Lade-Automat, der den Ladeschützen ersetzt und die Besatzung von vier auf drei Soldaten reduziert. Klar ist, dass der Westen die Anzahl dieser Fahrzeuge nicht adäquat ersetzen kann. Zu kurz gegriffen wäre auch die Überlegung, dass ein einzelner Westpanzer die gleiche Kampfkraft mehrerer T-Modelle zusammengenommen auf das Gefechtsfeld werfen könne. Weder der amerikanische M1 Abrams, der französische Leclerc oder der britische Challenger, noch der deutsche Leopard sind die erhofften „Gamechanger“ der ukrainischen Gegenoffensive.
Rheinmetall will Panzer in der Ukraine produzieren
Armin Papperger plant in dem Rheinmetall-Werk in der Ukraine eine Produktion von rund 400 Kampfpanzern jährlich – und zwar von dem neuesten Konzept des Düsseldorfer Unternehmens: dem Panther. Laut Produktion, dem Magazin der Metall-Industrie, hat Rheinmetall mit dem ukrainischen Staatskonzern Ukroboronprom ein Joint Venture gegründet. In einem ersten Schritt sollen Militärfahrzeuge, die im Rahmen von Ringtauschprojekten der Bundesregierung und Direktlieferungen an die Ukraine geliefert worden waren, instand gesetzt werden. Später ist die gemeinsame Fertigung des Panther geplant. Der Panther ist ein neuer Kampfpanzer mit einer 130-Millimeter-Kanone, den Rheinmetall 2022 vorgestellt hat. Der 59 Tonnen schwere Panzer soll voll digitalisiert sein und eine Reichweite von mehr als 500 Kilometern haben. Innerhalb von etwas mehr als einem Jahr will Papperger die Fabrik in der Ukraine fertiggestellt haben.
Sollten die Prognosen von Forbes zutreffen und die Panzerwaffe der Ukraine nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch 2027 vernichtet sein, müsste Papperger mit dem Bau seiner Fabrik also Anfang nächsten Jahres beginnen, damit der Ukraine wenigstens eine vage Chance auf den Sieg bliebe.