ITD: Der Blockchain wird oft vorgeworfen, eine „Lösung zu sein, für die es noch gar kein Problem gibt“ – wann hat Ihr Unternehmen dennoch den disruptiven Charakter der Technologie erkannt?
Dr. Nils Bulling: Sicherlich gibt es Blockchain-Use-Cases und -Lösungen, die künstlich wirken und auch nicht der Blockchain-Technologie bedürfen. Aber zu sagen, dass es allgemein keine Probleme für die Blockchain-Technologie zu lösen gäbe, dem würde ich widersprechen. Ein Hinweis auf entsprechende Probleme sind Use Cases, bei denen viele Parteien auf Daten zugreifen müssen und Integrität, Sicherheit, Transparenz und Nachverfolgbarkeit fundamentale Kriterien sind. Die Blockchain verspricht hier zum Beispiel eine Steigerung der Automatisierung und Beschleunigung von Prozessen bei großer Verlässlichkeit und Sicherheit. Dies führt schließlich auch zu geringeren Betriebskosten.
Denken Sie etwa an den extremen Kostendruck, dem sich Banken oftmals ausgesetzt sehen. Ich denke, hier kann die Blockchain mittelfristig einen Beitrag zur Kostenreduktion leisten. Durch ihren hohen Grad an Digitalisierung könnten Transaktionen per Distributed-Ledger-Technologie mit viel höherer Effizienz ausgeführt werden. Dies könnte etwa zu sehr viel geringeren Cross-Border-Payment-Kosten führen. Vollständig digitale Prozesse können auch atomares Delivery-versus-Payment ermöglichen, welches das Kontrahentenrisiko von Banken und damit verbundene Kosten senkt. Im Allgemeinen hat die Blockchain-Technologie das Potenzial, den Ressourcenbedarf im Backoffice stark zu reduzieren und Prozesse effizienter zu machen.

Für uns als Anbieter von Lösungen für Finanzinstitute, gerade in Hinblick auf das Private Banking und Wealth Management, ist die Technologie auch besonderes aus Sicht der Vermögensanlage interessant. Neben Kryptowährungen ist für mich die Tokenisierung von Assets – seien dies traditionelle oder bislang alternative bzw. non-bankable Assets – spannend. Durch tokenisierte non-bankable Assets können Finanzinstitute die Demokratisierung des Wealth Managements vorantreiben und alternative Anlageklassen einer breiten Masse zugänglich machen.

ITD: Gemeinsam mit Metaco haben Sie das „Crypto Asset Modul“ entwickelt; können Sie kurz erläutern, was sich dahinter verbirgt?
Bulling:
Unser Crypto Assets Modul liefert die Grundlagen für Crypto und Digital Assets Use Cases, wie etwa das Investieren in Kryptowährungen. Ein unverzichtbarer technologischer Bestandteil blockchainbasierter Lösungen ist dabei die sichere Verwahrung kryptografischer Schlüssel – also der Schlüssel zum digitalen Vermögen. Hier integrieren wir Metacos führende, hardwarebasierte Lösung zur sicheren Schlüsselverwahrung und Interaktion mit der Blockchain. Kryptographische Schlüssel werden dabei in Spezialhardware verwahrt, die militärischen Sicherheitsstandards entspricht. Unsere Crypto Assets Lösung ermöglicht die nahtlose Integration von digitalen Assets in ein Kundenportfolio, neben den traditionellen Assets. Dies garantiert eine holistische Vermögensbetrachtung und Vermögensberatung.

ITD: Wie profitieren Bankkunden von dieser Lösung?
Bulling:
Wenn Banken oder Vermögensverwalter ihren Kunden solch eine nahtlose Integration digitaler Assets bieten, senkt dies die Eintrittsbarrieren erheblich, ob dies nun Kryptowährungen oder andere digitale Assets sind. Und aus Sicht der Kunden bedeutet unser Crypto Asset Modul, dass sie sich neue Assetklassen einfach erschließen können, indem sie sich an einen Anbieter wenden, dem sie bereits vertrauen. Der Kunde erhält von seinem Finanzinstitut alle Anlagemöglichkeiten aus einer Hand – ohne lästiges Transferieren von Geld von einer Bank zur anderen. Technische Hürden sowie etwaige Sicherheitsbedenken sind für ihn ausgeräumt.

ITD: Was ganz allgemein das Thema „Bitcoin“ (bzw. Kryptowährung generell) betrifft, ist man hierzulande noch recht zurückhaltend – woran könnte dies liegen und wie kann das Vertrauen in die Währung gesteigert werden?
Bulling:
Ein Investment in eine Kryptowährung wie Bitcoin ist zu einem gewissen Grad auch eine Glaubens- oder Vertrauensfrage. Dies ist prinzipiell ähnlich zu Investments in Gold, aber eben sehr viel neuer und mitunter schwerer greifbar. Kryptowährungen wie Bitcoin sind äußerst volatil, versprechen riesige Renditechancen, aber unterliegen auch einem signifikanten Risiko, wie man in den vergangenen Jahren oftmals sehen konnte. Eine gewisse Zurückhaltung finde ich daher sehr verständlich. Zugleich muss man aber sehen, dass Kryptowährungen der erste Schritt hin zur Blockchain-Technologie im Finanzwesen sind. Noch tiefgreifender werden voraussichtlich die Änderungen sein, die durch digitale Assets entstehen. Wie schon angesprochen kann die Tokenisierung von Assets neuen Kundengruppen das Anlegen in bestimmte Assetklassen ermöglichen, die zuvor wohlhabenderen Kunden vorbehalten waren. Dies ermöglicht dann eine stärkere Diversifikation von Portfolios, was prinzipiell zu einer Risikoreduktion für den Kunden führt. Mit diesen Use Cases und auch der Adoption von Stable Coins – also Kryptowährungen, die durch Fiatgeld oder andere Assets gedeckt sind – wird das Vertrauen in Kryptowährungen und digitalen Assets steigen.

ITD: Was droht Geldinstituten, die den Anschluss im Bereich digitaler Assets verlieren? Ist ein heutiger Rückstand überhaupt noch aufzuholen?
Bulling:
Wichtig ist es aus meiner Sicht, sich mit der Materie auseinanderzusetzen, um entsprechende Lösungen anbieten zu können, wenn das Interesse der Klienten zunimmt und die Nachfrage entsprechend wächst. Ist das Institut nicht vorbereitet, könnten sich etwa Nachteile bei der Neukundenakquise ergeben oder sogar Kunden abwandern. Aktuell muss man sich aktuell aber noch keine Sorgen machen, den Anschluss verloren zu haben. Aber für Banken und Vermögensverwalter ist es an der Zeit, zu evaluieren, wie digitale Assets in die eigene Strategie passen. Man muss sich bewusst sein: Die Adoption von Krypto-Assets ist nicht nur eine Frage der Technologie, sondern ebenso des Innovations-Mindsets und der Organisation allgemein.

ITD: Wie werden die Blockchain-Technologie und ihre Anwendungen die Art verändern, in der Bankgeschäfte in Zukunft erledigen werden? Wie werden sich die Services der „traditionellen“ Banken verändern?
Bulling:
Ganz allgemein wird der Digitalisierungsgrad weiter zunehmen. In China beispielsweise ist man beim digitalen Payment schon viel weiter als etwa in Deutschland. Ich bin überzeugt, dass Stable Coins – ob dies nun beispielsweise ein digitaler Euro oder eine andere Kryptowährung sind – diesen Prozess weiter vorantreiben werden. Gerade auch die Tokenisierung von Assets wird das Serviceangebot traditioneller Banken beeinflussen und verspricht somit neue Revenue-Möglichkeiten. Non-bankable Assets wie Collectables können bankfähig werden. Kunden können damit Anteile an Oldtimersammlungen, einer Luxusvilla oder an einem Picasso-Gemälde wie Aktien o. ä. handeln. Es wird zu all den neuen Assetklassen neue Beratungsleistungen geben müssen. Beim tokenisierten Picasso sind beispielsweise auch ein Proof-of-Ownership wichtig sowie dass dieses physikalische Asset sicher verwahrt wird. Beides könnte zukünftig zu den neuen Dienstleistungen eines Finanzinstituts gehören.

ITD: Welches sind aus Ihrer Sicht die nächsten großen Schritte, was die Verbreitung von
Kryptowährungen angeht? Welche Trends behalten Sie als Unternehmen hier besonders im Auge?
Bulling:
Zunächst werden die neuen Stable Coins den gesamten Payment-Bereich verändern, insbesondere im E-Commerce. Für einen großen Trend halte ich die Tokenisierung bzw. digitale Assets, die Finanzinstituten neue Geschäftsmodelle eröffnen und die Erschließung neuer Kundenschichten ermöglichen können. Überdies gibt es viele andere spannende Trends, wie etwa in den Bereichen KYC und AML, die wir aufmerksam beobachten.

Bildquelle: Avaloq

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