Deutschland soll keinen einzigen Judenhasser mehr aufnehmen. Darauf müsse bei der Einbürgerung verstärkt geachtet werden, findet die FDP – und regt eine Kontrolle auf antisemitische Einstellungen an.

„Wer Deutscher werden will, muss die Werte des Grundgesetzes teilen“, sagt FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai WELT zu seinem Vorstoß. So sollen Mitgliedschaften in verfassungsfeindlichen Organisationen ebenso geprüft werden wie die Beteiligung an antisemitischen Protesten. Djir-Sarai will das etwa in die bestehenden Einbürgerungstests integrieren. Zuerst hatte die „Bild“-Zeitung über seinen Plan berichtet.

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Die Ampel-Koalition will Einbürgerungen erleichtern. Künftig soll bereits nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland ein Einbürgerungsanspruch bestehen, nach drei Jahren schon im Falle besonderer Integrationsleistungen. Derzeit liegt die Grenze bei acht Jahren. Zudem sollen Eingebürgerte eine mögliche zweite Staatsangehörigkeit behalten können. Das Bundesinnenministerium erarbeitet hierzu derzeit einen Gesetzesentwurf.

Die Liberalen wollen darauf Einfluss nehmen. „Uns sind drei Aspekte wichtig: Die Beherrschung der deutschen Sprache, die Finanzierung des eigenen Lebensunterhalts und die Werte des Grundgesetzes“, so Djir-Sarai. „Bei Themen wie Rassismus, Antisemitismus oder der Gleichstellung von Mann und Frau darf es keine Diskussionen geben.“

„Einbürgerungstest muss Antisemitismus-Test sein“

Schon 2021 verschärfte die große Koalition das Einbürgerungsrecht hierzu. Wer für eine antisemitische oder rassistische Straftat verurteilt wurde, dem soll die Einbürgerung verweigert werden – und das auch bei sogenannten Bagatelldelikten.

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Hintergrund waren die Proteste anlässlich militärischer Auseinandersetzungen im Nahost-Konflikt, bei denen in Deutschland auch antisemitische Parolen gerufen, auf Arabisch zu Angriffen auf Israel aufgerufen und Flaggen des jüdischen Staats verbrannt wurden.

Die Union winkt deshalb ab. Man freue sich, dass die FDP sich hier auf einen alten Vorstoß der Union beziehe, den man 2021 längst umgesetzt habe, sagt Fraktionsvizechefin Andrea Lindholz (CSU) WELT. „Schon vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte muss der Einbürgerungstest auch ein Antisemitismus-Test sein“, sagt Lindholz.

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Im Einbürgerungstest werden zudem Fragen zum Grundgesetz und dem politischen System der Bundesrepublik gestellt. Der Innenausschuss forderte die Bundesregierung 2021 auf, hier Fragen zu Antisemitismus, dem Existenzrecht Israels und dem Judentum hinzuzufügen. Zudem sollen die Themen Teil der Orientierungskurse der Integrationskurse und Lehrkräfte entsprechend geschult werden. Das Innenministerium bekräftigt auf WELT-Anfrage, dies bald umsetzen zu wollen.

Wer die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten möchte, muss sich außerdem zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen – also etwa zur Würde des Menschen und zur Gleichheit vor dem Gesetz. Schon jetzt sei es möglich, Einbürgerungen zu revidieren, wenn etwaige menschenfeindliche Handlungen in Befragungen verschwiegen wurden, heißt es aus Nancy Faesers (SPD) Ministerium.

Im aktuellen Referentenentwurf des neuen Einbürgerungsgesetzes sei geplant, explizit eine Unvereinbarkeit anderem von antisemitischen Handlungen mit der Menschenwürdegarantie auch rechtlich festzuschreiben, sagt eine Sprecherin WELT.

Jüdische Organisationen offen für den Vorstoß

Die Jüdische Studierendenunion stellt sich hinter den FDP-Vorstoß. „Wenn man ehrlich gegen Antisemitismus kämpfen will, dann darf man niemanden einbürgern, der eine antisemitische Gesinnung hat“, sagt die Präsidentin Anna Staroselski. „Die viel zitierte historische Verantwortung betrifft alle Menschen, die hier leben“, so Staroselski. Darauf müsse im Einbürgerungstest geachtet werden, „auch abseits von Ja-Nein-Fragen“.

Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland ist aufgeschlossen. „Die Idee ist ein richtiger Denkanstoß“, sagt Zentralratspräsident Josef Schuster WELT. „Man muss nun prüfen, wie das umgesetzt werden kann.“

Bei den Ampel-Partnern der Liberalen findet sich hingegen wenig Zuspruch für den Vorschlag. Beim Antisemitismus den Fokus auf jene ohne deutsche Staatsangehörigkeit zu legen, sei eine „Ablenkungsstrategie“, so Marlene Schönberger, zuständig für den Themenbereich Antisemitismus in der Grünen-Bundestagsfraktion. „Mindestens ein Viertel aller in Deutschland lebenden Menschen hat offen oder latent antisemitische Einstellungen.“

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Den FDP-Vorschlag hält sie nicht für zielführend, dem zu begegnen. „Ohnehin ist ein Bekenntnis zum Grundgesetz und zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung eine Voraussetzung für die Einbürgerung“, so Schönberger.

„Will man ohnehin schon marginalisierte Gruppen gegeneinander ausspielen?“, twitterte Lamya Kaddor, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Den Vorschlag der FDP nannte sie „absurd“, sich nur auf den Judenhass zu beziehen sei „gefährlich“.

Die FDP fordere nichts, was nicht schon längst Rechtslage oder geplant sei, sagt Hakan Demir (SPD), zuständiger Berichterstatter seiner Fraktion für das Thema, mit Blick auf den Referentenentwurf des Innenministeriums. Einen gesonderten Test brauche es nicht.

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Auch die Linksfraktion stellt sich gegen den Vorschlag. „Antisemitismus ist in der Tat ein großes Problem in Deutschland“, sagt die rechtspolitische Sprecherin Clara Bünger. „Es als importiert darzustellen, verharmlost jedoch die Debatte.“ Der FDP-Vorstoß stelle bestimmte Gruppen unter Generalverdacht.

Es brauche viel mehr Maßnahmen gegen Judenhass, etwa durch Bildungsarbeit und auch im Einbürgerungsprozess, so Bünger. „Tests sind aus meiner Sicht eher politische Kosmetik als wirklicher Wille, das Problem gesamtgesellschaftlich anzugehen“, findet die Linke-Abgeordnete.

Die Vorwürfe will Djir-Sarai nicht gelten lassen. Es handele sich um berechtigte und notwendige Fragen. „In den USA oder Kanada ist es völlig selbstverständlich, dass danach gefragt wird“, sagt Djir-Sarai. „Nur bei uns löst das Debatten über einen angeblichen Generalverdacht aus.“

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Die AfD zeigt sich hingegen aufgeschlossen – und geht noch weiter. „Niemand darf eingebürgert werden, dessen Werte mit dem Grundgesetz und unserer Kultur nicht vereinbar sind“, so die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Beatrix von Storch. Es müsse eine Liste von Organisationen erstellt werden. Wer dort Mitglied ist oder eine „persönliche Nähe“ aufweist, solle von der Einbürgerung ausgeschlossen werden. Als Beispiele nennt von Storch die islamistische Hamas, die Hisbollah im Libanon oder Ditib-Moscheegemeinden, aber auch die linke kurdische PKK.

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