Gastbeitrag von Prof. Dr. Matthias Schneider

11.11.2022

Fracking: In Deutschland ohne Rechtsgrundlage

Gas-Förderung durch Fracking in Pennsylvania: Die USA setzen schon seit Jahren auf die umstrittene Form der Energiegewinnung. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Ted Shaffrey 

In der aktuellen Energiekrise wird in Deutschland wieder verstärkt über die Schiefergasförderung per Fracking diskutiert. Aber wäre das überhaupt rechtlich zulässig? Es kommt darauf an, meint Matthias Schneider. 

Anzeige

Die Verlockung ist groß: Geschätzte 2.000 Milliarden Kubikmeter Erdgas sollen in heimischen Lagerstätten förderbar sein. Das Problem: Das Aufbrechen von Schiefergestein erfordert nicht nur einen unglaublich hohen Druck von bis zu 1.000 bar, sondern die Verwendung einer in den Boden zu pressenden, mit Chemikalien versetzten Flüssigkeit. Hieraus resultieren insbesondere Gefahren für das Grundwasser. 

Daher ist es nicht verwunderlich, dass der Einsatz von Fracking zur Schiefergasgewinnung seit den ersten Vorstößen Anfang der 2010er Jahre in der Bundesrepublik auf zahlreiche Gegenwehr gestoßen ist. Bundesländer und Kommunen sind an der Widerstandsfront ebenso aktiv wie Verbände und Bürgerinitiativen. 

Erst die Energiekrise, der damit einhergehende Preisschock für fossile Rohstoffe und die grundlegende Neuordnung der Energiebeschaffungsmärkte, haben die Rufe nach der Legalisierung der Technologie in Deutschland lauter werden lassen.  

Konventionelles und unkonventionelles Fracking  

Vielen ist in der aktuellen Diskussion nicht bewusst, dass Fracking in Deutschland seit Jahrzehnten in seiner konventionellen Variante zur Erdgasförderung angewendet wird. Durch das Durchbrechen einzelner abdichtender Gesteinsschichten wird das sog. tight gas förderbar. Die eingesetzten Fracking-Fluide sind weit weniger umweltschädlich als die beim umstrittenen unkonventionellen Fracking eingesetzten Gemische.  

Bei diesem lagern die zu fördernden Rohstoffe im porösen Gestein, meist Schiefer-, aber auch Ton-, Mergel- oder Kohleflözgestein, selbst. Der Begriff Fracking wird häufig für den gesamten Prozess verwendet, also auch für die Produktion nach dem Aufbrechen des Gesteins und den Umgang mit den zu Tage geförderten Stoffen. 

Neben dem Einsatz umweltgefährdender Stoffe in wasserführenden Schichten ist in der unkonventionellen Variante besonders die Rückförderung des Lagerstättenwassers und der stark verdünnten Rest-Fracking-Fluide an das Tageslicht problematisch, wo eine Lagerung und Aufbereitung erfolgen muss. Für die Exploration eines Bohrfelds werden allein bis zu 10.000 Kubikmeter Wasser benötigt. Hinzu kommt ein enormer Flächenverbrauch, insbesondere hervorgerufen durch die Ausnutzung eines Bohrlochs in über 3.000 Metern Tiefe durch eine Mehrzahl von bis zu drei Kilometer langen Horizontalbohrungen (sog. Multifracks). Ein typisches Erschließungsgebiet enthält viele Bohrfelder mit einer Fläche von jeweils bis zu einem Hektar Fläche. Auch seismische Aktivitäten als Folge der Fracks können nicht ausgeschlossen werden.  

Fracking-Paragraf als Zwischenlösung 

Entsprechend der Unterscheidung nach den beiden Fracking-Anwendungsfeldern hat der Bundesgesetzgeber 2016 eine differenzierte Lösung verabschiedet und mit § 13a Wasserhaushaltsgesetz (WHG) den sogenannten Fracking-Paragrafen geschaffen. Rechtstechnisch handelt es sich um eine Fiktion, da eine (unechte) Gewässerbenutzung je nach geologischen Gegebenheiten überhaupt nicht vonnöten sein kann. Dennoch wird der Anwendungsbereich des Wasserrechts neben dem des Bergrechts eröffnet. 

Konventionelles Fracking soll nach § 13a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WHG grundsätzlich möglich sein. Die Gesetzessystematik für das unkonventionelle Fracking folgt dagegen dem klassischen Regel-Ausnahme-Prinzip. Zumindest grundsätzlich verhindert § 13a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WHG den Einsatz der Methode.  

Nachhaltige Fehleinschätzung des Gesetzgebers  

Grundsätzlich, denn ausnahmsweise sind bundesweit vier begrenzte Erprobungsmaßnahmen (§ 13a Abs. 2 WHG) vorgesehen. Aus den hieraus gewonnenen Erkenntnissen sollte dann nach einer entsprechenden Evaluierung im Jahr 2021 (§ 13a Abs.7 WHG) eine präzise Rechtsgrundlage entwickelt werden. Allerdings: Kein einziger Antrag auf Erprobung wurde je gestellt. 

Es mangelt daher in Deutschland beim unkonventionellen Fracking bis heute an praktischen Erfahrungen und deren wissenschaftlicher Auswertung. Auch die Studien des Umweltbundesamtes oder die Betrachtungen der ins Leben gerufenen Fracking-Kommission der Bundesregierung (§ 13a Abs. 6 WHG) geben keine abschließenden Antworten, wie die Einschränkung der Rechte potentieller Bergbauunternehmen verhältnismäßig begründet werden kann und eine Fortschreibung der gescheiterten legislativen Versuchskonstellation aussehen könnte. 

Anwendung der Regelungen für konventionelles auf das unkonventionelle Fracking? 

Um die wasserrechtliche Bandbreite gesetzgeberischer Schöpfung zu illustrieren, lohnt sich ein Blick auf die Erlaubnisvoraussetzungen des konventionellen Frackings, die bei einer Gesetzesänderung modellhaft für das unkonventionelle Fracking maßgeblich sein könnten. Danach wird zwischen dem eigentlichen Fracking und dem Umgang mit dem zu Tage geförderten Lagerstättenwasser und dem Flowback, der “abgepumpten” Fracking-Fluide, unterschieden. Letztere folgen nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 WHG und § 13 Abs. 5 WHG über den Verweis auf § 22c der Allgemeinen Bundesbergverordnung (ABBergV) sehr strengen wasserschützenden Grundsätzen, indem der sogenannte Besorgnisgrundsatz Anwendung findet. Wie nach § 48 WHG für das Einbringen und Einleiten von Stoffen in das Grundwasser wird eine Erlaubnis zum Umgang mit dem Lagerstättenwasser nur erteilt, wenn keine umweltschädlichen Folgen für das Wasser zu besorgen, also solche auszuschließen sind.  

Dieser strenge Grundsatz gilt – trotz damaliger anderslautender Forderungen, z.B. vom Land Nordrhein-Westfalen – nicht für das Aufbrechen des Gesteins unter hydraulischem Druck nach § 9 Abs. 2 Nr. 3 WHG selbst: Hier wird in § 13a Abs. 4 WHG neben der Einstufung der Gefährlichkeit der verwendeten Gemische der Stand der Technik zum Maßstab der Zulässigkeitsprüfung gemacht. Dies aber setzt voraus, dass in den Wasser- und Bergbehörden überhaupt ausreichende Kenntnisse über die mit dem Einsatz der Technologie einhergehenden Gefahren vorhanden sind.  

Mit anderen Worten: Ohne experimentelle Bohrungen keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Da solche aber nicht in Aussicht stehen, bedarf es wohl einer Fortschreibung der geltenden Regelungen. Es dürfte auf die Aufnahme des Besorgnisgrundsatzes als Maßstab jedweder Erlaubniserteilung hinauslaufen.  

Dann würde dem Thüringer Beispiel gefolgt, wo seit 2019 das strengere Schutzregime im Landeswassergesetz (vgl. § 16 ThürWG) verankert wurde. Eine Erlaubnis darf grundsätzlich nur erteilt werden, wenn keine Nachteile für die Wasserbeschaffenheit entstehen.

Umdenken trotz Unkenntnis der Gefahren? 

Machen wir uns nichts vor: Eine Legalisierung des unkonventionellen Frackings würde eine gesetzgeberische Kehrtwende bedeuten. Juristisch wäre es riskant, wenn der Gesetzgeber angesichts des fehlenden Wissens über die Gefahren der Methode anstelle eines strikten Wasserschutzes ökonomische Interessen in den Vordergrund stellen würde. Verfassungsrechtlich könnte Art. 20a Grundgesetz mit seiner staatsrechtlichen Verpflichtung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen dem einfachen Gesetzgeber im Weg stehen.  

Der Verweis auf die Technologieoffenheit des Standorts Deutschland wird als Gegenargument der Fracking-Befürworter jedenfalls allein nicht genügen, um rechtliche Bedenken zu zerstreuen. Auch nicht der Hinweis, dass unkonventionelles Fracking andere Staaten zu Energieexporteuren gemacht hat, allen voran die USA, wo jüngst die anfängliche Gewinneuphorie etwas getrübt wurde.  

“Clean-Fracking” als Hoffnung  

Unterdessen bleibt die Hoffnung, dass in ferner Zukunft der technische Fortschritt hin zu einem “Clean Fracking” viele der Bedenken ausräumen kann. Dahinter verbirgt sich der Traum vom Fracking ohne den Einsatz wassergefährdender Chemikalien, z.B. nur mit Bauxit-Sand und Stärke als unbedenklichen Additiven. Bis dahin bleibt zu beobachten, ob und ggf.  wie das hohe Gut des Wasserschutzes vor dem Hintergrund ökonomischer Zwänge und Rohstoffknappheit zum politischen Spielball wird.  

Möglicherweise wird sich eines Tages auch das Bundesverfassungsgericht mit der dann vielleicht noch geltenden aktuellen Rechtslage auseinandersetzen – auf Betreiben der großen Bergbaukonzerne.  

Autor Prof. Dr. Matthias Schneider lehrt Wirtschaftsrecht an der Hochschule Schmalkalden. Er ist dort Leiter des Instituts für Versorgungswirtschaft. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählt u.a. das Recht der nachhaltigen Entwicklung und das Nachhaltigkeitsmanagement. 

 

 

Previous articleFrüh hohe Werte: Grippewelle in Deutschland hat begonnen – Politik
Next article„Wir wollen den Fans was bieten“