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Der Iran und Saudi-Arabien haben bekanntgegeben, ihre Todfeindschaft beenden zu wollen. Vermittelt wurde der Deal von China. Was soll Deutschland jetzt machen?

10.03.2023 | aktualisiert am 10.03.2023 – 21:45 Uhr

Zwei Tassen für Xi Jinping bei einer Sitzung des Nationalen Volkskongresses. 

Zwei Tassen für Xi Jinping bei einer Sitzung des Nationalen Volkskongresses. Foto: Mark Schiefelbein/AP

In aller Stille entwickelt sich China zu einer Weltmacht. Das bedeutet für den Westen und besonders für Deutschland die Notwendigkeit einer Neuorientierung. Bisher war die Westbindung alternativlos und exklusiv. Mit dem Ende des Kalten Krieges entstanden neuen Optionen. Die erfolgreichsten Allianzen schließen in einer sich schnell verändernden Welt diejenigen, die ihre nationalen Interessen mit der richtigen Mischung aus Flexibilität und Prinzipientreue verfolgen. Entscheidend sind der Zugriff auf Technologie und die Bereitschaft zu Zweckbündnissen über ideologische Grenzen hinweg. Wir leben nämlich in einem Zeitalter der Überraschungen: Am Freitag gaben der Iran und Saudi-Arabien bekannt, ihre Todfeindschaft begraben zu wollen. China hatte die historische Annäherung möglich gemacht. Mehrere Tage wurde in Peking verhandelt, in aller Stille, ohne öffentlichen Aufhebens. Der Iran ist seit vielen Jahren Stellvertreter Chinas im Nahen Osten. Den Saudis hatte der frisch gewählte chinesische Präsident Xi Jinping erst vor wenigen Monaten ein Angebot zur Kooperation unterbreitet.

Leider hat der Westen sowohl in Asien als auch im Nahen Osten viel Kredit verspielt: Die Herablassung, mit der westliche Politiker gegenüber arabischen Ländern aufgetreten sind, hat das Vertrauen untergraben. Zuletzt war dies am Beispiel Katars und der Fußball-WM zu beobachten, wo sich vor allem Deutschland in der Region ziemlich unbeholfen ins geopolitische Abseits dribbelte. Als schließlich der neue saudische Thronfolger wegen der mutmaßlichen Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi vom Westen zum Paria erklärt wurde, wendete sich das Königreich ab und suchte neue Verbündete im Osten. China kam da gerade recht, nutzte die Gunst der Stunde und zog die Saudis auf ihre Seite. Neben Peking kooperiert Riad auch mit Moskau. Die Türkei ist ebenfalls ein Partner für viele geworden und mäandert gar zwischen den Welten. Selbst extrem verhärtete Fronten sind aufgebrochen: Das Abraham-Abkommen hat die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain mit Israel an einen Tisch gebracht, weitere Staaten wie Saudi-Arabien könnten folgen.

Die amerikanische Regierung hatte unter Trump die Gefahr des aufsteigenden Chinas zwar erkannt und einen harten Anti-China-Kurs eingeleitet, blieb jedoch im Primat des Militärischen und der Sanktionspolitik stecken. Selbst ein furioser Sieg der Ukraine über Russland wäre in der globalen Kräfteverschiebung zwar ein Prestige-Gewinn für den Westen. Doch der Krieg hat den Westen und Russland im Vergleich mit China geschwächt. Der Krieg im Jemen könnte unter Chinas Vermittlung zu einem Ende gebracht werden. Für die Amerikaner und die anderen westlichen Koalitionspartner könnte die neue starke Rolle Pekings in der Region zum Desaster werden. Eine Gruppe jemenitischer Staatsangehöriger hat bereits vor einigen Tagen in den USA eine Klage gegen die Rüstungsunternehmen Raytheon, Lockheed Martin und General Dynamics eingereicht und ihnen vorgeworfen, „Kriegsverbrechen und außergerichtliche Tötungen unterstützt und begünstigt“ zu haben. Deutschland muss die Lage eigenständig beurteilen. Es gilt, die neuen Koordinaten in einer Welt zu verstehen, in der China immer stärker auf den Platz auf dem Fahrersitz drängt.

Auf transatlantischer Seite wird dem Deal einige Beachtung zuteil. Das Atlantic Council analysiert in einer ersten Bewertung, was aus seiner Sicht für China hinter dem Deal steckt: China baue seine Präsenz im Nahen Osten seit Jahren stetig aus – aber dies sei sein bisher größter Schritt. „China hat gestern versprochen, dass seine Interessen in der Region nur wirtschaftlicher Natur seien und es kein wichtiger politischer Akteur sein wolle; heute wird China versprechen, dass es nur diplomatischen Einfluss will, keine regionale Militärpräsenz“, sagt Will Wechsler, Senior Director des Rafik Hariri Center. „Die Welt hätte niemals an die Versprechen von gestern glauben sollen und schon gar nicht an die von heute.“

Jonathan Panikoff, Director der Scowcroft Middle East Security Initiative, hat die Woche auf einer Konferenz in Doha, Katar, verbracht, wo er auf die weit verbreitete Ansicht gestoßen sei, dass „China nur ein passives wirtschaftliches Interesse an der Region hat“. Aber, fügt er hinzu, „wirtschaftliche und kommerzielle Beziehungen weichen oft politischem Engagement, was schließlich zu Geheimdienst- und Sicherheitskooperationen führen kann.“

US-Politiker müssten dies zur Kenntnis nehmen, so Panikoff. „Verlassen Sie den Nahen Osten und geben Sie die Beziehungen zu manchmal frustrierenden, sogar barbarischen, aber langjährigen Verbündeten auf, und Sie werden einfach ein Vakuum hinterlassen, das China füllen kann“, sagt er. „Und täuschen Sie sich nicht, ein von China dominierter Naher Osten würde die Handels-, Energie- und nationale Sicherheit der USA grundlegend untergraben.“

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