Wegen Putins Krieg gegen die Ukraine flüchteten im Frühjahr und Sommer 2022 eine Million Ukrainer nach Deutschland, überwiegend Frauen. Sie bekommen sofort Bürgergeld, müssen nicht zur Asylbehörde, um Leistungen zu beantragen.
Ein gutes Jahr später arbeitet aber nur jeder fünfte erwerbsfähige ukrainische Flüchtling.
CDU-Vorstandsmitglied Mike Mohring fordert deswegen, Ukrainern nicht länger Bürgergeld zu gewähren, sondern nur Asylbewerberleistungen (maximal 410 statt 520 Euro pro Monat). Die Integrationsbemühungen seien „gescheitert“, sagte Mohring dem Sender „Servus TV“.
Liegt Mohring damit richtig? Ist die Integration der Ukrainer wirklich gescheitert?
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Experten widersprechen dem CDU-Politiker
Laut einem Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) machen 65 Prozent der ukrainischen Flüchtlinge einen Sprachkursus, weitere zehn Prozent haben bereits einen abgeschlossen. IAB-Forscher Herbert Brücker: „Das wirkt sich auf die lange Strecke positiv aus, führt aber kurzfristig dazu, dass weniger Geflüchtete auf dem Arbeitsmarkt ankommen.“ Denn sie lernen ja gerade Deutsch. Idealerweise wären sie in neun Monaten durch, aber durch Wartezeiten kommen mehrere Monate dazu.
Aber: Müssten diese Menschen erst Asylanträge stellen, würde alles noch länger dauern.
Brücker: „Es war eine sehr kluge Entscheidung, ukrainische Geflüchtete direkt in die Struktur der Jobcenter zu nehmen.“ So habe man viele Integrationshemmnisse abgeräumt. „Stellen Sie sich vor, wir hätten eine Million Menschen zusätzlich in den Asylverfahren, in den Sammelunterkünften, in den langwierigen Verfahren. Asylverfahren verzögern die Arbeitsaufnahme.“
Und: Bei Flüchtlingen, die einen Integrationskursus abgeschlossen haben, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie eine Arbeit aufnehmen, deutlich an.
Bundesagentur: Integration schneller als bei anderen
Den Mohring-Vorstoß hält Brücker für „unklug“, denn das hieße, die Förderstruktur der Jobcenter aufzugeben. „Wir brauchen noch ein bisschen Geduld, die großen Erfolge werden wir im nächsten Jahr sehen.“
Auch Daniel Terzenbach, Vorstand Regionen der Bundesagentur für Arbeit (BA), verweist darauf, dass bis zum Herbst 2023 voraussichtlich rund 100 000 Ukrainer ihren Integrationskursus abschließen, „von denen mehr und mehr Arbeit aufnehmen werden“. Voraussetzung sei, „dass die Kinderbetreuung sichergestellt ist und das ist in Deutschland in vielen Regionen ohnehin ein großes Thema“, sagte Terzenbach.
Es kamen ja vor allem Frauen mit Kindern. Doch nur rund 60 Prozent der Kinder zwischen drei und sechs Jahren haben einen Kita-Platz. Im Osten Deutschlands ist es einfacher als im Westen, einen Platz zu finden.
► Terzenbach: „Als erste Zwischenbilanz sehen wir in der BA: Die Integration erfolgt etwas schneller als bei früheren Fluchtbewegungen, obwohl die Rahmenbedingungen nicht optimal sind.“
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Dazu kommt: Wer auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß fassen will, braucht Geduld. Laut IAB-Forscher Brücker dauert es zwar länger als in Großbritannien oder den USA, ist dafür aber dauerhaft. „Wegen des guten Kündigungsschutzes schauen sich Unternehmen die Leute genau an, bevor sie sie einstellen. In Großbritannien geht das schneller, aber man wird auch schneller gefeuert.“
SPD-Arbeitsmarktexperte Martin Rosemann betont, dass das Bildungsniveau der Ukrainer überdurchschnittlich hoch sei. „Derzeit ist die Anerkennung ihrer im Ausland erworbenen Abschlüsse aber langwierig.“ Ihm sei wichtig: Deutschland erlebe einen zunehmenden Arbeitskräftemangel, es lohne sich also „für beide Seiten, hier Prozesse weiter zu vereinfachen und zusätzliche Zugänge zu schaffen“.